„Leider ergeben sich für Menschen mit Behinderungserfahrungen bei der Verwendung eines Sprachassistenzsystems Schwierigkeiten, da bei der Entwicklung der Technologie zumeist keine Berücksichtigung ihrer Bedürfnisse stattfindet“, erklärt CJD-Vorstand Samuel Breisacher. Das zu ändern ist das Hauptanliegen eines Projekts des Christlichen Jugenddorfwerk Deutschlands gemeinnütziger e.V. (CJD), das dazu dient, ein Sprachassistenzsystem für und mit Menschen mit Behinderungserfahrungen zu erproben und weiterzuentwickeln. IT-Experten des deutschlandweit tätigen Sozial- und Bildungsunternehmens sowie die Akquinet GmbH arbeiten hierbei gemeinsam mit 36 Projektteilnehmenden an einer Optimierung der Technologie. Alles gefördert von Aktion Mensch.
Derzeit befindet sich das Projekt in einer Vorphase, die zur Aufklärung und zum Sammeln von Eindrücken und Erfahrungen dient. In der anknüpfenden Hauptphase steht die Programmierung der Technologie im Vordergrund.
CJD-Vorstand und Verantwortlicher des Projekts, Samuel Breisacher, sieht in der gemeinsamen Entwicklung eine große Chance:
„Sprache als Eingabemöglichkeit für Texte oder auch Befehle am Computer zu nutzen, ist ein alter Hut. Sprachassistenten wie Alexa gehen da ein ganzes Stück weiter und ermöglichen Menschen mit Behinderungserfahrungen ein enormes Stück Freiheit. Unser Projekt zielt genau darauf ab. Mehr Teilhabe und vor allem Selbstbestimmung durch Digitalisierung. Das Projekt zeigt den Menschen, wie es ist, Termine selbst zu verwalten, ohne auf Dritte angewiesen zu sein. Nicht Lesen und Schreiben können? Kein Problem, denn dank Sprachassistenz gehören diese Barrieren zumindest für bestimmte Alltagsangelegenheiten der Vergangenheit an.“
Genau aus diesem Grund ist die umfassende Vorbereitungszeit besonders wichtig, da die Verwaltung der vielen Informationen und Daten der einzelnen Personen in den Wohn- und Begleitungseinrichtungen nicht mehr wie bisher dem Personal obliegt. „Vielmehr bekommen die Teilnehmenden und ihre Angehörigen selbst Zugang zu den Daten“, wie Silvio Schwarz, der Leiter des Projekts Sprachassistenz beim CJD, berichtet. Da die Entscheidung darüber, welche Angaben das Sprachassistenzsystem über sie erhält, bei den teilnehmenden Personen selbst liegt, bedarf es einer Reihe von Workshops, die unter anderem die Bereiche des Datenschutzes und den angemessenen Umgang mit personenbezogenen Daten behandeln. Überdies sollen auch die Anforderungen, die konzeptuellen Gesichtspunkte, die Anwendung und das Aussehen der Sprachassistenz im gemeinsamen Austausch erprobt und angepasst werden.
Als Basis der Optimierung dienen dabei bekannte Sprachassistenten, wie Alexa, Siri & Co. Mithilfe dieser virtuellen Assistenten probieren sich die Teilnehmenden an gängigen Funktionen, wie der Erstellung von Einkaufs- und Aufgabenlisten, dem Eintragen von Terminen oder dem Abrufen von Radiosendern. Projektteilnehmer Christian Müller sieht hier einen großen Vorteil für sein tägliches Leben: „Die Sprachassistenz könnte mir helfen, meine verschiedenen Termine besser zu koordinieren“. Absprachen mit seinem Betreuer und seinem Pflegedienst ließen sich nicht nur direkt vermerken, sondern er würde auch eine automatische Erinnerung für seine Termine erhalten.
Auch auf die soziale Teilhabe hat das CJD-Projekt eine positive Auswirkung. So nutzen die Workshopteilnehmenden die Sprachassistenz ebenfalls, um Informationen zu gesellschaftlichen und politischen Themen, aber auch zu Freizeitveranstaltungen zu erfragen. Ein Meilenstein für mehr Teilhabe? Auf jeden Fall, sagt Silvio Schwarz: „Eine digitale Welt muss von der gesamten Breite der Bevölkerung genutzt werden können, sonst wird die Exklusion aus der analogen Welt in die digitale übertragen. Ich bin mir sicher, das Sprachassistenz-Projekt wird einen wichtigen Beitrag leisten, um verschiedene Tagesabläufe zu unterstützen und digitale Partizipation zu fördern.“
Sprachassistenten stellen eine nützliche, unterhaltsame und gleichzeitig unterstützende Technologie dar. 47 % der deutschen Bevölkerung nutzen sie täglich, um beispielsweise Rezepte abzurufen, Termine eintragen zu lassen oder die Smart-Home-Steuerung zu bedienen. Den Markt dominieren die vier großen Hersteller. Allen voran Amazon mit Alexa, danach folgen Apple, Google und Microsoft.
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